"I have no gun but I can spit" ist der Titel von Lucas Lenglets erster Ausstellung in der Galerie magnus müller. Der niederländische Künstler, geboren 1972 in Leiden, zeigt mehrere Objekte und architektonische Konstruktionen in einer bühnenartigen Inszenierung.

Die Installation in den Galerieräumen ist der zweite Teil des Projekts Tools for hiding / Tools for rescue, welches 2006 im Künstlerhaus Bethanien in Berlin begann und in der gazonrouge Gallery in Athen im März 2007 enden wird. Es war vor allem Lucas Lenglet Auseinandersetzung mit einem Text W.H. Auden, der den Titel “The Birth of Architecture” trägt, der den Künstler bei der Umsetzung seiner Arbeiten beschäftigt hat. Auden reflektiert in diesem Text die anonyme Autorenschaft vieler Gebäude und stellt im folgenden fest, wie sehr die Katatrophe des II. Weltkrieges dazu beigetragen hat, dass sich das Individuum traumatisiert in seine Behausung zurückgezogen hat.

Panzersperren, eine Anhäufung von Autoreifen, eine Trennwand und ein Faß stehen verteilt im Raum. Der Betrachter bewegt sich zwischen offenen und geschlossenen Konstruktionen und verschiedenen Objekten, die Lenglet dramatisch mit Spotlights in Szene setzt. Während Panzersperren den Weg versperren, stößt man nach dem Umlaufen des Hindernisses auf Freiraum, auf unbespielte Fläche. Kaum hat man jedoch wieder Luft geholt, droht die Enge im Raum von neuem. Entsteht diese Enge nun im realen oder im mentalen Raum? Lenglet lädt den Betrachter ein, diese Frage durch indiviuelles Erleben zu beantworten, den Raum zu betreten, zu erkunden. So wird der Besucher zum Hauptakteur dieses Kulissenspiels aus formalen und narrativen Elementen. Doch ist er wirklich willkommen? 

Während Lucas Lenglet sich bisher vor allem mit der Formalisierung von Gewalt, mit Aggression und Angriff, beschäftigt hat, widmet er sich nun der Protektion, der Rolle des Flüchtenden und den Schutzsuchenden. 

Das übergreifende Thema des Galerie-Projektes ist somit der “Schutz vor jeglicher potentieller Gefahr”. Lenglet konstatiert, dass wir in einer Angstgesellschaft leben, und offenbar ständig einer latenten Bedrohung ausgesetzt sind. Unser Leben sei von Unsicherheiten bestimmt. Der Künstler fragt danach, was wir brauchen, um uns sicher zu fühlen. Wie kann man einer bedrohlichen Situation entkommen und sich verteidigen? Der Künstler bietet hierfür mehrere Optionen oder Werkzeuge. Diese, übertragen in Architektur, wirken wie selbstverständlich inszeniert im Raum, der zum idealen Raum und zum eigentlichen Kunstwerk wird.

Mit I have no gun but I can spit gelingt Lucas Lenglet ein spannunsvoller Kunstgriff, durch den er Interpretationen auf mehreren Ebenen zulässt: Neben dem funktionalen Charakter der einzelnen Elemente ermöglicht Lenglet sowohl formal-visuell als auch metaphorisch in einer Art Außensicht, den Blick vom Makrokosmos zum Mikrokosmos. Er thematisiert Begriffe wie Nation, Straße, Haus und Individuum und erreicht gleichzeitig eine emotionale Wirkung, eine Art Introspektion beim Betrachter

In seiner neusten Installation greift Lucas Lenglet auf frühere Arbeiten zurück, entwickelt seine Formensprache jedoch weiter: Während er im ersten Teil des Projektes ein „Stageset“, also ein Bühnenbild, schuf, läuft der Betrachter in der Galerie durch mehrere Szenen oder Episoden, die unabhängig voneinander gelesen werden und für sich selbst stehen können. Eine weitere Entwicklung von früheren Projekten besteht in der genannten inhaltlichen Erweiterung hin zum Thema „Protektion“, aber auch in der Steigerung des Theatralischen.

Lucas Lenglet studierte an der Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam und erhielt mehrere Stipendien, darunter eines von der “Netherlands Foundation for Visual Art, Design and Architecture” in Amsterdam sowie das Arbeitsstipendium der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Berlin. Während der letzten beiden Jahre war er Stipendiat im Künstlerhaus Bethanien in Berlin. In folgenden Gruppenausstellungen im In-und Ausland war Lenglet kürzlich vertreten: Ideal City – Invisible Cities (Potsdam und Zamosc, 2006), tools for rescue / tools for hiding (Künstlerhaus Bethanien, Berlin, 2006), Temporary Import (Temporary Import - DAAD, Bethanien, Urbane Realitäten: Fokus Istanbul (Martin-Gropius-Bau, Berlin, 2005), dialogue series #4, mit Tim Ayres (Galerie Markus Richter, Berlin, 2004) und Shamming the Shack (Galerie Fons Welters, Amsterdam, 2002). 

Lucas Lenglet wird von magnus müller Berlin und der gazonrouge Gallery Athen vertreten. 

Wir danken der Botschaft der Botschaft des Königreichs der Niederlande und der Netherlands Foundation for Visual Arts, Design and Architecture für die Unterstützung.