Wir freuen uns, Sie zur ersten Einzelausstellung von Piotr Nathan in den Räumen von magnus müller begrüßen zu dürfen.

Piotr Nathan zeigt 12 neue Gemälde und zwei ältere Arbeiten aus drei Werkgruppen: Farbensammler (2006), Das Gewand eines flüchtigen Gedankens (2001) und Die erstarrte Hand des Diskuswerfers ausgestreckt nach Licht – Farbensammler (1990). Wie in den meisten seiner Ausstellungen hat Piotr Nathan die Installation der Arbeiten für die spezifische Raumsituation entwickelt.

Das Werk von Piotr Nathan umfasst Zeichnungen, Malerei, Skulptur, Multiples, Künstlerbücher, Wandarbeiten und Installationen. Piotr Nathan thematisiert in seinen Arbeiten die Sehnsucht nach dem Nicht-Verfügbaren und das Versprechen auf das nur Angedeutete. Die Werke verweisen auf nicht gezeigte Inhalte, die in der Vorstellung des Betrachters existieren und dort zum Leben erweckt werden. Auf der inhaltlichen Ebene erzählen Piotr Nathans Arbeiten von der Abwesenheit im Anwesenden. Auf der formalen Ebene greift der Künstler auf Motive, Materialzitate und immer wieder kehrende Themen zurück, die er einem kontinuierlichen kreativen Prozess unterwirft.

Das Leitthema der drei bei magnus müller gezeigten Werkgruppen ist Farbe und die künstlerische Tätigkeit des Malens. Die Arbeiten fügen sich durch die Nähe ihrer Themen zu einer Gesamtkomposition zusammen, ohne dass das Einzelwerk an Intensität verliert. 

Die 2006 entstandene Serie Farbensammler wird im vorderen Teil der Galerie gezeigt. Piotr Nathan hat die Leinwand in zwei Flächen aufgeteilt. Die farbintensive Hälfte des Gemäldes wurde mit Farbe verspachtelt und trägt Spuren eines Gardinenmusters, während in die andere Hälfte der Leinwand bis zu drei Buchstaben eingeschrieben sind. Der Abdruck der Gardine ist ein Relief der Abwesenheit, in dem das Potential und das Geheimnis des Verborgenen liegen. Farbensammler spielt auf vielschichtige und ironische Weise mit dem Titel. So ergeben die Buchstaben aus den einzelnen Bildern zusammen den Namen der Serie. Darüber hinaus beinhaltet der Titel die Pole künstlerischer Arbeit: die Farbensind essentiell für die handwerkliche Ausführung eines Gemäldes und der Künstler als Sammler von Ideen und Theorien schafft die intellektuelle Basis, ie ein Kunstwerk erst ermöglicht.

Die Serie von 2006 verweist auf die Arbeit Die erstarrte Hand des Diskuswerfers ausgestreckt nach Licht – Farbensammler von 1990, die im hinteren Teil der Galerie zu sehen ist. Die Wiederverwertung von Themen und Motiven zieht sich durch das Werk von Piotr Nathan und fordert den Betrachter auf, Bezüge zwischen den einzelnen Arbeiten herzustellen. Die erstarrte Hand des Diskuswerfers ausgestreckt nach Licht – Farbensammler zeigt Porzellanteller, die Piotr Nathan benutzt hat, um seine Ölfarben zu mischen. Die Teller werden gleichsam zur Malerpalette und erinnern in ihrer Form an Rundgemälde der italienischen Renaissance. Die erstarrte Hand des Diskuswerfers ausgestreckt nach Licht – Farbensammler ist ein autonomes Einzelwerk, das den Malprozess dokumentiert und auch als Ausgangsbasis für größere Gemälde dient. 

Das Gewand eines flüchtigen Gedankens (2001) wird in einem abgetrennten, vollkommen blau gestrichenen Raum präsentiert. Das Objekt besteht aus mehreren übereinander geschichteten Glasplatten. Die Glasplatten werden von der Fotokopie eines Kupferstichs bedeckt, der einer naturwissenschaftlichen Publikation des 19.Jahrhunderts entnommen ist und die Illustration eines Eisberges zeigt. Auf das Papier ist ein dicker Klecks roter Ölfarbe gesetzt. Auf dem dünnen Papier hat sich das Öl der Farbe im Laufe der Zeit immer weiter ausgebreitet, ist bis an die Ränder der Glasplatten ausgelaufen, um dort eine beinahe kristalline Form zu bilden. Das Gewand eines flüchtigen Gedankens stellt den Inhalt, die Abbildung des Eisberges neben das Malmaterial, die rote Farbe und thematisiert damit die Beziehung zwischen künstlerischer Idee und handwerklicher Ausführung. Der Eisberg ist ein bestimmendes Motiv der Arbeiten von Piotr Nathan und steht für die Entdeckung der äußersten Winkel der Welt. Das Blau der Wände thematisiert diese Ferne und nimmt gleichzeitig Bezug auf das Thema Farbe, das in allen bei magnus müller gezeigten Werken wiederkehrt. Der Eisberg ist aber auch eine Metapher für das Verborgene, das im Sichtbaren liegt: die Spitze eines Eisberges macht nur 10% seines gesamten Volumens aus, 90 % liegen unter der Wasseroberfläche. Dieser Teil des Eisberges, der überwiegende, bleibt ebenso wie das Nicht-Gezeigte in den Werken von Piotr Nathan, der Imagination des Betrachters überlassen.