Wir freuen uns, Sie zur ersten gemeinsamen Ausstellung von Eva-Maria Wilde und Nikos Navridis in den Räumen von magnus müller begrüßen zu dürfen.

Eva-Maria Wilde zeigt in ihrer dritten Ausstellung bei magnus müller Arbeiten aus den Jahren 2005/2006, die speziell für diesen Anlass entstanden sind. Nach raumgreifenden, farbintensiven Installationen beschäftigt sich Eva-Maria Wilde verstärkt mit Malerei. Neben zwei großformatigen werden 30 kleinformatige Gemälde präsentiert, die mit Acryl, Lack und Gouache auf MDF oder auch Leinwand gemalt sind und sich im Farbspektrum von schwarz-weiß und grau bewegen.

Die Stadtansichten von Eva-Maria Wilde thematisieren den urbanen Raum von Megastädten, deren Fassaden, Strukturen und Konstruktionen. Auf ihren Reisen durch die Boomtowns Asiens hat die Künstlerin ein umfangreiches Fotoarchiv angelegt, das ihr als Inspiration und Vorlage dient. Das Motiv ihrer Gemälde ist die Außenansicht von Wohn- und Bürotürmen und deren Spiegelung in Glasfassaden. Eva-Maria Wilde verleiht den abgebildeten Architekturfragmenten die Struktur von Wasseroberflächen, in denen sich Lichtreflexe brechen. Durch den partiellen Bildausschnitt entsteht eine starke Abstraktion von architektonischer Gesamtstruktur - ein Eindruck, der durch die Betonung der Fläche verstärkt wird. Oftmals löst sich das Dargestellte in einem rasterartigen Muster der horizontalen und vertikalen Vergitterung auf. Die Motive bleiben fragmentarisch, so wie die menschliche Wahrnehmung in Großstädten, bei der ebenfalls nur einen bestimmten Bruchteil der visuellen Eindrücke verarbeiten kann. 

Die Gemälde von Eva-Maria Wilde konzentrieren sich formal auf die Wiedergabe der glänzenden Oberfläche, der äußeren Schicht eines Hauses. Sie zeigen ein anonymes, gesichtsloses Abbild ortloser Wohn- und Bürotürme. Doch Wilde hat eine Bildsprache entwickelt, die der Austauschbarkeit moderner Architektur eine eigene Ästhetik verleiht. Die Frage nach dem Inneren des Gebäudes, dem Leben wird bei der Betrachtung der Fassade aufgeworfen, auch wenn es visuell nicht gezeigt wird, und damit das Unsichtbare durch das Sichtbare thematisiert. 

Nikos Navridis gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen griechischen Künstler. Bei magnus müller werden C-Prints der Video-Installation The Question of the Age of the Void (1996/2005) und die Video-Projektion Breath (2005) gezeigt, die bereits auf der 51. Biennale in Venedig 2005 präsentiert wurde.

Die Video-Installationen von Nikos Navridis thematisieren das Element Luft, insbesondere der Atemluft, in Abhängigkeit zum menschlichen Körper. Atmung ist ein essentieller Bestandteil der Existenz: durch das Ein- und Ausatmen wird der Rhythmus des Lebens bestimmt und der Mensch am Leben erhalten. Nikos Navridis beschäftigt sich mit der Materialisierung und Visualisierung des unsichtbaren Elements Luft durch den Menschen. Seine künstlerischen Mittel sind ähnlich leicht und flüchtig wie die Luft selbst und ebenso verletzbar wie der Körper: Gummi dient als Stellvertreter von Haut und Luft-Ballons werden zu Behältern, in denen Ausdehnung und Zusammenziehung von Luft sichtbar und erfahrbar gemacht wird. 

In der Video-Installation The Question of the Age of the Void zeigt Navridis die Dichte des leeren Raums. Zwei Zwillingsschwestern blasen einen Ballon mittels Mundstücken an den jeweiligen Enden auf. Der Umfang des Ballons nimmt immer mehr zu, bis der Video-Monitor beinahe ausgefüllt ist und die Frauen sich außerhalb des sichtbaren Bereichs befinden. Allmählich nimmt der Umfang des Ballons wieder ab, die Gesichter der Frauen erscheinen erneut auf der rechten und linken Seite und pressen sich Richtung Mitte, beinahe als wollten sich ihre Münder in der Mitte und durch das Gummi hindurch berühren. Der Prozess des Ein- und Ausatmens bestimmt das gemeinsame Aufblasen des Ballons, dessen Kreation, und macht den Vorgang zu einem Akt der stillen Kommunikation.

Nikos Navridis Interesse gilt dem antiken ebenso wie dem zeitgenössischen Theater. In der Video-Projektion Breath (2005), die bereits auf der 51. Biennale in Venedig 2005 präsentiert wurde, nimmt er Bezug auf das gleichnamige Theaterstück von Samuel Beckett aus dem Jahr 1969. Becketts einminütiges Stück zeigt eine mit Müll beladene Bühne ohne Protagonisten. Es beginnt mit einem entfernten Schluchzen, das zum Ton des Einatmens wird und endet wieder mit einem Seufzer in der Ferne. In Becketts Stück finden sich die grundlegenden Elemente, die Nikos Navridis beschäftigen: das Einatmen als Geburtsmetapher und das Ausatmen als Todesmetapher. Navridis konzentriert sich in Breath auf das Bild des Mülls, indem er Aufnahmen von Abfall auf den Ausstellungsboden projiziert. Der Betrachter bewegt sich direkt in dieser malerischen Projektion, die einer fortlaufenden Wiederholung unterliegt. Nikos Navridis erzählt in Breath von der Flüchtigkeit des Lebens und der menschlichen Tragödie, doch tut er dies mit Leichtigkeit und voller Optimismus. Breath wird damit zum Ausdruck der Spannungspole der menschlichen Existenz.